Donnerstag, 22:49 Uhr Tag vor diesem Feiertag. 
Während ich meine gedankliche Pro- & Contra Liste, ob und warum ich mich nochmal mit dir treffen sollte, abwäge (Pro: habe 2 Kilo abgenommen, meine neuen Schuhe müssen ausgeführt werden |
Contra: die zwei Kilo habe ich, zugegeben, an wirklich strategisch ungünstigen Stellen – Arsch und Titten- abgenommen, der post traumatische Schmerz nach einem Date wird weder von der AOK übernommen, noch hat Ratiopharm, bis dato, einen Wirkstoff dagegen entwickelt) reißt mich ein stechender Schmerz aus meinen Gedanken.
Jemand eine Straftat geplant?
Ein sehr heißer konischer Lockenstab reicht nämlich völlig aus um sich seiner Identität, und auch der Fingerkuppen, zu entledigen. 
Dabei brauche ich gar keine neue Identität. Kennt mich ja eh fast keine Sau hier.
Brauche viel mehr neue Frisur.
Es ist Donnerstag, 22:52 vor diesem beschissenen Feiertag und ich überlege ob ich dem Grauen auf meinem Kopf mit einer Nagelschere ein Ende bereiten sollte. Ich habe mir, mit meinem Keramik & Perlen beschichteten Lockenstab, sieben Finger versengt, selbstredend daher auch höllische Schmerzen, 90 Minuten meiner Lebenszeit geopfert und trotzdem nur die linke Vorderseite meiner Mähne gelockt. 
Ich sehe, so ehrlich muss man sein, gerade ziemlich scheiße aus.
In genau acht Minuten treffe ich mich mit dir am Bahnhof, wo ich gar nicht weiß ob ich dir um den Hals fallen will oder doch lieber in die Fresse hauen sollte. 
Acht Minuten sind zu wenig.
Zu wenig um meinen moralischen Kompass wieder nach Norden zu polen und meine Bedenken beiseite zu werfen. Vor allem aber zu wenig um auf meine Frisur klar zukommen. 
Ich wünschte, ich hätte kürzlichst nicht erst mit dem Rauchen aufgehört.
Ich sehe Nikotin ja, zumindest in solchen Momenten oder aber in denen mit rauen Mengen an Alkohol, als bewusstseinserweiternde Medizin an. Kurz bin ich davor die alten, runtergebrannten Stummel aus dem Aschenbecher meines versoffenen Nachbars zu klauen um mir ein paar letzte, euphorische Züge zu beschaffen.
Beschließe jedoch, dass ich als halb seits gelockte ABBA Agnetha, keinen weiteren erheblichen Würdeverlust vertragen könnte. 
Und dann, dank der bewusstseinserweiternden Wirkung der 3 Duplo, die ich vor Aufregung und als Ersatz, schnell eingeatmet habe, fällt es mir wie Schuppen von den Augen:
Das geht gar nicht. Ich kann dich doch noch gar nicht sehen.
Das geht nicht jetzt, nicht in acht Minuten und bestimmt auch nicht in acht Monaten. Mit Mühe und Not habe ich, so rede ich es mir zumindest erfolgreich ein, das letzte bisschen Würde wieder zusammen gekratzt. Das klitzekleine bisschen an Würde, was dir nicht hinterher gelaufen ist, dich nicht auf Facebook gestalkt hat oder auch nicht im Tequila ertränkt wurde. 
Und in acht Minuten, da bin ich mir sicher, würde ich auch noch den Rest verlieren.
Und endlich, endlich, endlich – nach 25 Jahren gespickt mit schlechten und unnötigen Beischlafpartnern,  peinlichen SMS und langen Abenden mit Barolo- sehe ich es ein: 
Dafür bin ich mir mittlerweile, eigentlich zu Schade.