Es ist erbärmlich.
Eigentlich geht es ja gar nicht um die Zahl als solches – es geht um das Gefühl.
Und diese neue Zahl gibt mir ein beschissenes Gefühl, verdammt.
Ich bin jetzt -nüchtern betrachtet- nicht mehr Mitte zwanzig.
Das ist natürlich übertrieben.
Trotzdem, der Beigeschmack bleibt – es geht jetzt auf die Dreißig zu.
Diese schreckliche Drei die doch nur als Kleidergröße schön anzusehen ist.

Schlimm ist es ja nur wenn man selbst ein Problem mit dem Altern hat und als geliftete und aufgetakelte Schabracke endet. Davon bin ich ja weit entfernt.
Nicht aus ethischen Gründen. Aus finanziellen, ehrlicherweise.
Mit meinem Monatslohn kann ich ja schließlich grad mal mein überteuertes, aber geil gelegenes, Mini- Appartment bezahlen.
Im Alter, so scheint es, lernt man eben Prioritäten zu setzen.

Wenn ich jetzt also eine Bilanz ziehe, mal darüber nachdenke was die letzten Jahre so passiert ist dann muss ich zugeben dass ich mich ganz schön verändert habe.
Ich habe nicht nur an Kilos sonder – alle Achtung- auch an Moral gewonnen.
Vielleicht auch gar nicht freiwillig,
Man muss ja zugeben fette Frauen haben keine Wahl.
Wenn du mehr als 50 Kilo wiegst kannst du eben kein Charakterschwein mehr sein.
Lug & Trug verzeiht man halt nur schönen Menschen.
Mein Herz wurde genauso oft gebrochen wie meine Diätvorsätze, ich habe in Flennsburg mehr Punkte als bei Payback und definitiv mehr Schuhe als Füße.
Ich habe tolle Menschen in meinem Leben, wovon leider die wenigsten in meiner Stadt wohnen aber hey – ich habe ja auch einen Reisepass und eine Bahncard.
Ich find das alles ok, mehr als das sogar. Die anderen bloß irgendwie nicht.
Denn irgendwann kommt der Punkt wo du auf Facebook die Hochzeitsbilder deiner ehemaligen Klassenkameraden findest, wo du dir deine Bekannten ein Foto von ihrem hässlichen und speckigen Baby hinhalten und du „Mei wie liab!“ ausrufst.
Und dann fragen sie dich: „Und Süße – bei dir so?“
Sie wollen wissen ob ich mir nicht auch überlege mir „jetzt was zu kaufen“ und wenn ich dann mit „Schuhe“ antworte schütteln sie alle den Kopf und lachen. Nicht richtiges, belustigendes Lachen. Sondern dieses mitleidige:

Leider steigt bei unserer Gesellschaft die Erwartungshaltung nach einem bürgerlichen, klassischen Leben ja direkt proportional zum erreichten Alter.
Wenn du dich dann aber outest dass dein Lifestyle mehr Tinder als Kinder beinhaltet und wieder das hinterfotzige Lächeln kommt, fühlst du dich automatisch schlecht.
Natürlich dachte ich als Kind dass ich in meinem jetzigen Alter schon Haus und Hof mit Kind und Kegel teile.
Damals dachte ich aber auch dass ein Gummibärchenbaum im Garten wächst wenn ich ein paar Haribo vergrabe.
Klar – ich bin weder Mutter noch im Besitz einer Immobilie.
Der Mensch den ich neben meiner Mami, Chiqui und den anderen Lieblingsmenschen am meisten liebst sitzt 400km weg von mir in diesem verschissenen Berlin und macht keine Anstalten zurück zu kommen, Meine Chanel Boy hat ’nen Kratzer und ich habe immer noch keine Chloé Tasche – ganz im Gegensatz vom restlichen Instagram!
Aber trotzdem.
Ich bin glücklich.