Die Woche beginnt, das war in Berlin auf Clubtoiletten vor kurzem noch gang und gäbe, mit Schnee. Doch noch bevor ich mich dazu motivieren konnte eine warme und keine rein stylische Winterjacke zu finden, waren die wenigen Flocken schon weggeschmolzen und zurück blieb der nasse, eklige, schwarze Schlamm auf den Straßen.
Na gut, wem mache ich etwas vor.
Hatte ehrlicherweise eh nicht vor das Haus zu verlassen.
Stattdessen ging ich pflichtbewusst meiner Lohnarbeit nach, kochte mir ein wärmendes Spinat- Linsen Curry mit frittiertem Kokos Tofu und verbrachte den restlichen Abend damit meine deflorierte Küche von Fett und Kokosraspeln zu befreien.
Das ist er also. Der Lifestyle of the rich & famous.

Ähnlich glamourös ging es am Dienstag weiter.
Getrieben von Tatendrang und einem Warenkorb gefüllt mit Dekoration & sonstigen Staubfängern bei einem niederländischen Interior Online Shop, entschloss ich mich endlich dazu meine Weihnachtsdeko wegzuräumen.
Meine bajuwarischen Werte so mit Füßen zu treten beschämte mich ungemein und auch meine Omi gab sich enttäuscht, als ich meine Aufräumaktion bei einem kleinen Pläuschchen erwähnte.
„Aber Heilig 3 Könige san doch scho umma?!“

Für das Weihnachtsfest gibt es bei uns nämlich eine handvoll ungeschriebene Gesetze.

  • Gegessen wird möglichst viel, zumindest aber ununterbrochen. Die direkte Kalorienzufuhr verläuft direkt proportional zum Spaßfaktor
  • Am 24. wird sich das Krippenspiel in der Kirche angesehen. Vorrangig noch nicht mal aus religiösen oder traditionellen Gründen, sondern nur um sicherzugehen, dass man den neuesten Tratsch und Klatsch mitbekommt („Schau hie, des Rindvieh ist des Jahr alleins da!“, „Mei die Tochter von den {beliebigen Namen hier einsetzen} ist fei‘ a ganz scheener Brummer g’worden. Wer lässt sich etz denn so gehen?“)
  • Die Bescherung muss mindestens einen Zonk, so enttäuschenden Schrott, enthalten. Dieser ist meist selbstgebastelt und kommt mit der Post

Und die vielleicht wichtigste Regel:

  • Die exzessiv und sehr großzügig verteilte Dekoration wird so schnell wie möglich weggeräumt, spätestens aber am 06. Januar eben.

Dekoration im Allgemeinen ist bei meiner Familie seit jeher ein sehr dominantes Element und wird fast schon inflationär eingesetzt.
Kein Wunder also, dass meine Mutter bei der Weihnachtsdekoration, die Königsdisziplin bei den Depot & XXL Stammkunden, schon im Sommer so aufgeregt ist, das sie es gar nicht mehr erwarten kann.
Es gab Jahre, da hat sie es geschafft unsere Nachbarn derart unter Druck zu setzen, dass sie sich gezwungen sahen selbst schon Mitte September ihre Fenster bunt zu schmücken.
Und so überrascht es aber auch wieder keinen, dass Mami sich eigentlich schon am Weihnachtsfest selbst an ihrem Lichtermeer so sattgesehen hat, dass sie direkt am 27. Dezember zu einer leichten, dezenten Osterdekoration übergeht.

Was das, und meinen Alkoholkonsum anbelangt, komme ich wohl nach meinem Vater.

Die Woche plätschert so vor sich hin. Ich hänge tagsüber vor meinem Bildschirm um abends weiter auf einen kleineren Bildschirm zu gucken bevor ich dann, vor dem schlafen gehen, auf einen klitzekleinen Bildschirm starre.
Und wenn ich mir dann mal richtig was gönnen will, geh ich zu DM.
So geschehen am Mittwoch, als ich mit meiner Nachbarin und Freundin Vicky erst eine Runde spazieren ging, um dann eine Stunde im Drogeriemarkt zu vertrödeln.
Ich brauchte Zahnpasta und Waschmittel und komme, 58 Euro ärmer, mit Duftteelichter, bio Brotaufstrichen und Nagellack in verschiedenen Rotschattierungen nach Hause.
Jaja jetzt wird wieder in die Hände gespuckt! Wir steigern das Bruttosozialprodukt!
Ich bin immer wieder erstaunt wie sehr ich mich über Konsum identifiziere, gestehe mir aber -jetzt wo ich nicht mehr rauche und trinke – zumindest dieses kleine Laster ein.

 

Am Donnerstag, vormals als kleiner Freitag befeiert, bejubelt und benannt – mittlerweile nur noch ein anderer ereignisloser Tag in meinem Kalender, stolpere ich bei Instagram über eine Art Kettenbrief. Meine Freundin Hanna rufte dazu auf bei einer Buch Challenge mitzumachen. Du meldest dich, bekommst die Adresse eines Fremden und sendest ihm dein Lieblingsbuch zu. Nachdem du den Aufruf teilst bekommst du im besten Fall natürlich auch eine Lektüre gesendet.
Schon früher landeten erst handgeschriebene, später digitale Kettenbriefe bei mir im Briefkasten. Versprachen schon seit 1984 durchgängig im Umlauf zu sein, Ruhm und Ehre für denjenigen der ihn an mindestens 10 Personen weiterschicken würde und unbeschreiblich viel Pech und Unglück für die Person, die es wagen würde die Kette zu unterbrechen. Voller Euphorie und Ehrfurcht machte ich mich also damals erst daran mein Delfin- Briefpapier- Bogen wiederzufinden um mir dann noch 10 verschiedene Adressen zusammenzusuchen.
Anschließend war meist meine Aufmerksamskeitsspanne schon so erschöpft, dass ich erst gar nicht erst anfing den Brief abzuschreiben.
Zweifelsohne kann mein katastrophales, meist unerwidertes Liebesleben in meiner Jugend jetzt rückwirkend mit dem ein oder anderen Kettenbrief- Fluch erklärt werden.

Gottseidank bin ich in der Zwischenzeit zu einer erwachsenen, erfolgreichen und zuverlässigen jungen Frau gereift. Ich bekomme mein Leben im Allgemeinen, meinen Job im Besonderen, auf die Kette (höhö) und kann nun guten Gewissens bei so einer Aktion partizipieren.
Also meldete ich mich, mit ähnlicher Euphorie wie schon vor 23 Jahren, umgehend bei Hanna, nichtsahnend, dass darauf eine 36 Stündige Ahnungslosigkeit und innere Zerrissenheit meinerseits folgen würde, welches nun das beste Buch sei.

Ich möchte gar nicht wissen wie viele Menschen bei dieser Aktion schon „die Glyx – Diät“ oder „Schlank im Schlaf“ enttäuscht aus ihrem Briefkasten gezogen haben und auch ich widerstand meinem ersten Instinkt dem Unbekannten eine Ausgabe von „Low Carb für Berufstätige“ zuzusenden.

Ähnlich wie bei allen großartigen Dingen in diesem Leben (Crémant, Vintage Klamotten und Gute- Nacht Küsse) bin ich auch bei Büchern sehr zügellos und konsumfreudig.
Daher also aber auch das Problem: Ich könnte mich niemals auf nur ein Buch festlegen.
Nach langer Überlegung kam ich dann aber auf eine Liste mit 11 ganz großartigen Büchern die es in die engere Auswahl geschafft hatten und die ich im folgenden eigentlich auflisten wollte, nun aber auf Grund von Demotivation und der Tatsache, dass der Tatort schon seit 10 Minuten läuft, an späterer Stelle nachreichen werde.

Bevor ich dann am siebten Tage ruhen sollte, verbrachte ich die anderen beiden Tage mit exzessiven Ausmisten, Ausräumen und Fotografieren.
Aber auch davon werde ich ein andermal berichten.