Ich habe unsagbar schlechte Laune heute.
Dabei ist überhaupt gar nichts passiert. Die Wurzel meines Übels.
Es passiert nichts. Ich kriege nichts gebacken.
Dabei habe ich Ideen, schmiede Pläne, schreibe To Do Listen.
Krieg den Arsch aber nicht hoch und gucke Löcher in die Luft.
Lass mich ein paar Zigaretten stopfen und meine Föhnfrisur durchfetten:
Ich wär die ideale RTL 2 Frauentausch Protagonistin.

Montag noch, mit guter Laune, frisch gewaschenem Haar und aufgepeitscht von zwei Tassen Kaffee, arbeitete ich bis in den Abend fleißig durch. Euphorisiert von einem leeren Postfach und einem erstaunlich produktiven Start in den Montag radelte ich über den Savignyplatz zu Victoria.
Wir tanzten durch ihre Küche, sie machte fantastische Spaghetti mir Meeresfrüchten, ich währenddessen meine Nögel und anschließend naschten wir Gummibärchen.
Auf dem Heimweg hörte ich mir noch eine überlange Sprachnachricht meiner Freundin Bibi an und hatte somit endlich mal wieder das Gefühl nicht komplett desozialisiert zu sein.

Mein Sozialleben erlebte ein kurzes Revival also, als ich am Dienstag spontan noch einer Verabredung mit Lea zusagte. Ich holte sie mit einem minutiös abrechnenden Mini Cooper ab, wir brausten durch die frühen Abendstunden gen Osten und drehten unsere Runden um die leere Museumsinsel, dem ehemaligen Epizentrum des Tourismus und fotografierender Modeblogger.

Es ist gruselig und faszinierend sogleich was aus einer Stadt, spezifischer: einem Viertel wie Berlin Mitte – einem Disneyland aus Concept Stores, Airbnb Wohnungen und Burgerläden- wird, wenn plötzlich keiner mehr auf den Straßen ist. Die Stadt wirkt lächerlich provinziell, vor allem aber hässlich karg ohne Culture, Cocktails, Clubs & Coffeeshops.

Ich fühle mich betrogen. Ich blätter doch nicht monatlich einen 4-  stelligen Betrag hin für eine Wohnung in der man, zugegeben immerhin querlüften kann, nicht aber mal einen Balkon hat und bekomme dann die selbe piefige Trostlosigkeit geboten wie in einer Trabantenstadt.

Entschuldige, da wär ich in Nürnberg- Langwasser einfach billiger & streßfreier weggekommen.

Lea und ich ließen uns von der Trostlosigkeit nicht abschrecken und stapften durch den Nieselregen bis zum Rosenthaler Platz, erzählten uns das wenig bisschen Neue aus unserem Leben und fuhren dann durchnässt & verfroren zurück nach Hause.
Angefixt von der Monotonie und Reizlosigkeit auf den Straßen der Hauptstadt griff ich zum Roman „Deutschboden“ von Moritz von Uslar, der auf 379 Seiten über das Leben in einer brandenburgischen Kleinstadt, und somit über absolut gar nichts, schreibt.
Das Buch ist ein bisschen Monoton und Trist.
Erinnert also stark an mein aktuelles Leben, aber ich will nicht schon wieder jammern.

Nach diesem bunten Potpourri an Sozialkontakten (immerhin 3. Aber die Messlatte liegt hier, ähnlich zum Abitur außerhalb von Bayern, einfach ein wenig niedriger als gewohnt) erlaubte ich mir am Mittwoch eine kleine Auszeit.
Zeit für mich quasi.
Nur zelebrierte ich meine „Me- Time“ nicht, wie von dm & Frauenmagazinen propagiert, mit Gesichtsmaske, einem spritzigen Glas Hugo (oder anderem klebrigen Gesöff) und Hornhauthobeln, sondern bis spät in die Nacht vorm Computer. Ich war aber schon immer mehr der Typ für Selbstzerstörung & weniger für Self- Care.

Donnerstag dann, vom schlechten Gewissen geplagt, meldete ich mich spontan für ein Home- Dance- Zumba- Workout an und verbrachte die anschließenden 50 Minuten damit, mir das letzte bisschen an Selbststolz zu nehmen.

Zumba ist das Aerobic der dicken, alleinstehenden Frau über 40.
Entwürdigend.

Und mit schlechten, lateinamerikanischen Bässen untermalt.
Während ich also zu „Despacitos“ wie ein besoffener Elefant vor meinem IPad rumtänzelte, kurz vor dem Zusammenbruch stand und mehr schwitze als Rainer Calmund beim Schnitzel essen, hüpften die besagten Hausfrauen ganz grazil und leichtfüßig über meinen Bildschirm.
Ich beendete den Kurs, trotzdem es mir unerwartet viel Spaß machte, frühzeitig und schwor mir, beim nächsten mal meine Kamera abzukleben.
Nancy schaffte es in einem Telefonat das kleine bisschen an Restwürde, das mir geblieben ist, wieder zusammen zukehren und nach 60min. Telefonat schlief ich beseelt, aber auch erschöpft, ein.

Freitag, gewohnt eskalativ, luden Robert und ich uns bei Clarissa ein und standen zum Feierabend mit napolitanischer Pizza und Monopoly im Gräfekiez.
Beim Brettspiel lässt sich relativ realitätsnah mein Umgang mit Geld veranschaulichen und so überraschte es jeden, dass ich trotz dessen, dass ich meine Monopoly Mark sehr schnell verprasste, das Spiel haushoch gewann.  Während wir mit dem Auto wieder nach Hause fuhren, vielen die ersten Schneeflocken und mir die Augen zu.

Samstag sollte dann, so hatte es der Wetterbericht gemeldet, ein Schneesturm über Berlin ziehen. Die wenigen Flocken beeindruckten mich Süddeutsches Geschöpf nur wenig, im Allgäu sagt man zu einer halben Stunde Schneefall und 3 Grad schließlich Frühlingsanfang. Ich dachte trotzdem nicht daran das Haus zu verlassen, las mein Buch fertig und stöberte durch ebay Kleinanzeigen.
Um ein bisschen Schwung und Bewegung in mein Beziehungsleben zu bringen, meldete ich Robi und mich noch zum Techno Yoga, einem weiteren Online Sportangebot meiner Urban Sports App, an. Nach 20 Minuten beendeten wir das Unterfangen aber, nachdem wir diesem Keta Klaus auf der Matte so gar nicht folgen konnten und der Typ mehr Techno als Yoga machte.
Von wegen piefige Trostlosigkeit – endlich wieder ein Samstag in Großstadt Manier!

Und jetzt, Sonntag also, sitze ich da und habe doch nicht mehr so schlechte Laune. Ist ja doch ein bisschen was passiert.