Die Tage fließen ineinander über.
Es fühlt sich alles so gleich, so unspektakulär und bekannt an, dass ich mich schwer tue eine Unterscheidung der Wochentage auszumachen.
Daher kann ich mich auch wirklich nicht mehr erinnern, was ich am Montag gemacht habe. Oder am Dienstag. Und trotzdem fällt es mir nicht schwer davon zu berichten, weil es einfach der selbe unaufgeregte Scheiß wie an den restlichen Tagen der Woche war.
Für gewöhnlich starte ich meinen Tag damit, den Wecker wegzudrücken um dann in der nächsten halben Stunde, alle 2 Minuten selbiges zu wiederholen, bis mein Freund – genau das Gegenteil von mir und schon produktiv, da hat der Wecker noch gar nicht geklingelt- mir den ersten Kaffee ans Bett bringt.

Es fühlt sich ein wenig so an als wären wir die Hauptprotagonisten bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Nur ohne Hollywoodgehälter und Dauerwelle.
Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass ich gerade wieder bevorzugt Filme, produziert jenseits der Jahrtausendwende, ansehe.
Die kenne ich, da kommen keine unerwarteten Überraschungen.
Im Allgemeinen tue ich mich nämlich ehrlicherweise schwer damit, mich auf neue Sachen einzulassen. Bringt meine Lieblingsband, zum Beispiel, ein neues Album raus, so traue ich mich kaum in die Neuerscheinung reinzuhören. Eine weitere Staffel meiner Lieblingsserien kann ich erst ansehen, wenn jemand mir die Freigabe erteilt und sagt: „Ist cool, passiert nichts schlimmes.“

Auf diese Weise verpasse ich natürlich viele, großartige Serienhighlights. Und meine Skepsis brachte mich an einen Punkt wo ich mich nur ratlos und reizüberflutet durch das  Überangebot der Streamingdienste durchklicke und mir dann doch wieder nur ’nen Tatort aus der Mediathek reinzuziehen.
Ja, ich habe ein Problem mich auf neue Dinge einzulassen und kann schlecht vertrauen- aber ich bin ein emotional verkrüppeltes Scheidungskind und du kein scheiß Hobbypsychologe.
Im Übrigen sollte jeder, der das neue Album von Annenmaykantereit  gehört hat – die Scheibe in denen sie unentwegt weinen, auf der Triangel rum hauen und „Hoffnungslos“ und „so wie früher, wird es nie wieder“ schreien- bestätigen können, dass meine Skepsis angebracht, ja mehr noch gerechtfertigt ist.

Für alle die ebenfalls mal aus ihrem Netflix Algorithmus ausbrechen möchte, lege ich ans Herz die folgenden Filme nochmal anzusehen:

  • Sister Act
  • Der Club der Teufelinnen
  • Overboard

Diese Filme informieren nicht, sind politisch mehrmals unkorrekt und haben auch sonst keinen Auftrag, außer zu erheitern. Aber es ist sagenhaft großartig Goldie Hawn und nicht wieder die Fresse von Jens Spahn über den Bildschirm flimmern zu sehen.

Am Dienstag wurde dann offiziell, was wir ja alle schon längst wussten: Lockdown wird verlängert. Und ich gestehe, ich war ein wenig erleichtert. Ich komme nämlich langsam in einen Lockdown- Stress. Es ist wieder ein wenig so, wie vor Beginn der großen Ferien.
Jeden Sommer machte ich mir eine ellenlange Liste mit Aktivitäten, Vorhaben und Wünsche für die 6 Wochen Ferien. Ich wollte mein Zimmer ausmisten, Marmelade einkochen, in die Bücherei gehen, bei Oma Unkraut jäten, umliegende Freibäder beradeln, alle Eissorten durchtesten. Es waren keine großen Abenteuer geplant, aber genügend um aus den Ferien eines zu machen, wenn man noch keine Strafmündigkeit oder einen Reisepass beistzt und noch naiv genug ist, um Orangenhaut für die Schale einer Frucht zu halten.
Ich hatte also viel vor und lag trotzdem immer erst mal mit meiner Freundin Cassandra im Gras und wir redeten über Kevin – den sie anhimmelte und ich schlichtweg bescheuert fand.
Es gab damals anscheinend sehr viel über Kevin zu reden, jedenfall plätscherten die Wochen so vor sich hin und ich hatte zwar immer Spaß aber meine Liste wurde nicht kürzer. Jedes mal, kurz bevor die Schule – die Normalität- wieder anfangen sollte, beschlich mich eine unangenehme, innere Unruhe.
Ich hatte das Gefühl, gar nicht das Beste aus meinen 6- Wochen Auszeit gemacht zu haben, wenn ich nicht die ganzen Punkte von meiner To- Do Liste abgestrichen hätte.

Und nun, ettliche Jahre später, entdecke ich wieder die selbige Unruhe in mir. Ich hatte Angst, dass ich nicht mehr all die Bücher lesen könnte, die ich seit Wochen sammel und in meinem Wohnzimmer zu einem Turm staple. Angst, nicht mehr genügend Zeit zu haben um meinen Schrank, meine Küchenschränke, mein Leben zu sortieren.
Ich möchte gerade noch gar nicht zurück auf die Straßen, ich möchte einfach nur meine Ruhe.

Und so fröhnte ich auch die restliche Woche meinem unbeschwerten Rentner- Dasein und tat all die Dinge, die ich im Alter gerne mal tun möchte, für die ich dann aber wahrscheinlich zu dement bin.
Donnerstag kam also meine Freundin Victoria vorbei, wir spielten Kanasta, tranken Pfefferminztee und redeten über alte Zeiten. Sicherlich, das kommt nicht an den Zauber der vergangenen Tage heran wo wir auf 12cm Absätzen umher staksten und uns Weinschorle ins Gesicht schütteten, aber keiner musste den Bauch einziehen, oder sich später abschminken und auch sonst war es bei mir zuhause einfach bequemer als in irgendeiner vollgestopften Bar in Neukölln.

Am Wochenende dann, aufgeputscht vom Kaffee unserer neuen Siebträgermaschine, rumpelte ich erstmal wie Quaran- Tine Wittler durch die Wohnung, dekorierte meine 5 Grünpflanzen um und schaffte es endlich mal, meine ganzen Kartons zu entsorgen.
Dem Lockdown vor allem aber meiner ausgeprägten Liebe zu Vintage Mode und eBay Kleinanzeigen Schnäppchen geschuldet, bekomme ich recht viele Pakete. Diese Pakete, ja gerade die Kartons- das ist doch klar- kann ich nicht einfach wegschmeßen, weil ich garantiert ganz bald ein sehr wichtiges Paket versenden werde, ganz bestimmt. Also sammel ich sämtliche Kisten, Schuhkartons und Pakete unter meinem Schreibtisch und treibe damit meinen Freund, der nicht nur produktiv sondern auch ordnungsliebend ist, schier in den Wahnsinn. Ständig trägt der arme Kerl irgendwas in den Keller, damit der ganze Plunder nicht bei uns in der Wohnung rumfliegt.
Problem : In den Keller passt nun wirklich auch nichts mehr.
Also habe ich mich nun dazu verpflichtet, einfach alles direkt wegzuschmeißen. Das ist zwar nicht so geil nachhaltig, aber hey – unsere Wohnung sieht dadurch richtig Magazin tauglich aus und das witzige ist ja, dass das so ziemlich total-  egal ist weil wir ja sowieso keinen Besuch bekommen können und deswegen auch in einer Pappkarton Messie Höhle leben könnten.

Nun hätte ich gerne noch weiter geschrieben über dieses Wochenende, das sehr unspektakulär und sehr schön war, darüber, dass ich wirklich nichts gemacht habe außer ein bisschen auf der Yoga Matte zu atmen, einen ausgedehnten Spaziergang machte und mir mit Robert eine vegane Currywurst teilte, die überraschend gut schmeckte und bei mir den Eindruck erweckte nicht so vegan und somit vertauscht worden zu sein, darüber, dass ich meine ganzen Intervallfastenregeln über Bord warf und mir einfach -komplett anarchisch & rebellisch- um halb 11 Uhr abends einen Milchreis mit Kokosmilch gekocht und aus dem Topf gegessen habe, hätte darüber noch geschrieben, dass ich zwei Bücher ausgelesen habe und behaupten kann, dass beide nicht verschiedener hätten sein können und trotzdem beide so schlecht waren, dass ich mich nun hier nicht entscheiden könnte welches ich bescheuerter fand. Und ich wollte noch erzählen, dass sich auch die Wochenenden immer mehr gleichen und auch da wirklich gar nichts mehr aufregendes passiert.
Aber all das ist so langweilig und trostlos, dass ich es einfach dabei belasse.

Ich sollte dringend wieder mit dem Alkohol trinken beginnen. Dann kann ich mich wenigstens an nichts mehr erinnern.